Im Zentralbank-Universum ist die Bank of Japan bis Ende 2022 wohl die einzige Spielerin, die an einer außergewöhnlichen expansiven Geldpolitik festhält. Allerdings dürften die japanischen Notenbanker zwischen dem ersten und dritten Quartal 2023 eine deutliche Änderung bei den Negativzinsen wie auch der Kontrolle der Renditekurve vornehmen. Wir zeigen die Implikationen auf.
Steigendes globales Zinsumfeld
Im Nachgang der Notenbanksitzung der Fed wie auch der EZB war der Abverkauf von Staatsanleihen beiderseits des Atlantiks durchaus signifikant. Während die zehnjährige US-Treasury-Rendite erneut die Marke von 2,00% ins Visier nahm, rüttelte die hiesige Benchmarkrendite am Widerstand von 0,30%. Die deutlichen Renditeaufwärtsbewegungen in relativ kurzer Zeit sind zunächst ausgelaufen und ein nachhaltiges Abweichen über die genannten Marken hinaus ist vorerst unwahrscheinlich. Und das, obwohl die Konjunkturdaten (Stichwort US-Arbeitsmarkt) zum Teil weit über den Erwartungen liegen. Der Markt attestiert der Fed (in allererster Linie) damit, die Inflation im Griff zu haben. Ein Blick auf entsprechende marktbasierte Inflationsbarometer unterstreicht dies. Gleichwohl liegt nach den US-Inflationsdaten für den Januar nach wie vor ein 50 Bp. Zinsschritt der Fed im März auf dem Tisch. Dies könnte die zehnjährige US-Treasury-Rendite Ende Q1 2022 kurzzeitig Richtung 2,25% ansteigen lassen. Spätestens mit der Konkretisierung der Bilanz-Abschmelzung der Fed (im Frühjahr 2022, Umsetzung im Sommer 2022) könnte es zu einem Anlauf auf diese Marke kommen.
Die Renditen japanischer Staatsanleihen (JGBs) erreichten im zehnjährigen Bereich zeitgleich das 25 Bp. Cap (Renditeobergrenze), welches die Bank of Japan (BoJ) im Rahmen ihrer Renditekurvenkontrolle implementiert hat. Während dies so erwartet werden konnte, war die Bewegung (der Aufwärtsdruck bei den Renditen) über die gesamte Kurve, insbesondere im ultra-langen Laufzeitenbereich, auffällig.
Exkurs: Yield-curve-control (YCC)
Auf ihrer geldpolitischen Sitzung im September 2016 entschied die Bank of Japan (BoJ) u.a., ihre Strategie um die Dimension der „Yield Curve Control“ (kurz: YCC, Renditestrukturkurven-Kontrolle) zu erweitern. Die YCC wird dadurch erzielt, dass die BoJ durch Offenmarktgeschäfte die kurz- und langfristigen Zinsen kontrolliert. 2016 wurde das konkrete Ziel ausgegeben, die zehnjährige Rendite japanischer Staatsanleihen (JGBs) um 0% zu fixieren; dieses Ziel hat bis heute Bestand. Für die zehnjährige JGB-Rendite gibt es zudem das implizite Ziel, einen Anstieg über 0,25% zu verhindern. Dies wurde jüngst am 10.02.22 von der BoJ bekräftigt. Damit erweiterte die BoJ 2016 ihren Ansatz der sogenannten Negativ-Zinspolitik (kurz: NIRP, Negative Interest Rate Policy).
Noch verteidigt die BOJ ihre YCC
Sofern es im Nachgang der aktuellen Stabilisierung bei den globalen Benchmarkrenditen zu einem erneuten Anlauf auf die Marken 2,00% (äußerst 2,25%) bzw. 0,30% (äußerst 0,40%) bei zehnjährigen US-Treasuries - respektive Bunds gleicher Laufzeit – im Frühjahr kommt, dürfte es zu Rendite-Spillover-Effekten auf Japanische Staatsanleihen (kurz: JGBs, für Japanese Government Bonds) kommen. Darauf werden die japanischen Währungshüter deutlicher eingreifen und ihre YCC abermals verteidigen müssen. Nicht zuletzt aus Gründen geldpolitischer Glaubwürdigkeit (das höchste Gut einer jeden Zentralbank) sind regelmäßige Tests des bestehenden Caps (also dauerhaft höhere Renditen) nicht hilfreich. Gleichwohl ist es für eine Zentralbank ebenso wenig wünschenswert, wenn sie regelrecht ohne Ende Anleihen ankaufen muss. Zwar sind unlimitierte Käufe für eine Zentralbank technisch kein Problem. Jedoch würde der Markt für Staatsanleihen erheblich verzerrt, was die Marktfunktionalität letztlich einschränken würde. Aus geldpolitischer Sicht aber noch gefährlicher wäre ein mit sodann höheren Kosten verbundener Exit aus der expansiven geldpolitischen Phase. Zudem impliziert das immense Einmischen der BoJ am Staatsanleihenmarkt ein gewisses Abwärtsrisiko für den Yen.
In der kurzen Frist wird die japanische Notenbank ihre Negativ-Zinspolitik (kurz: NIRP, für Negative Interest Rate Policy) samt der sie ergänzenden YCC-Politik weiterverfolgen. Maßgeblicher „Garant“ dieser Strategie ist dabei ihr Schöpfer und derzeitiger BoJ-Chef Haruhiko Kuroda. Mittelfristig sind allerdings Änderungen in der Geldpolitik in Japan zu erwarten.
Szenario einer YCC-Änderung
Wenngleich das 2% Inflationsziel der BoJ kurzfristig außer Reichweite ist, scheint der Markt sukzessive hartnäckiger an eine Änderung der geldpolitischen Ausrichtung zu glauben. Zum ersten Mal seit Einführung des YCC-Regimes im September 2016 rangiert die Rendite zweijähriger JGBs deutlich oberhalb des kurzfristigen Leitzinses (-0,1%). Ebenso ist die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen auf das höchste Niveau seit YCC-Beginn geklettert. Demzufolge erwartet der Markt, dass die BoJ im Fahrwasser anderer wichtiger Notenbanken - und konsistent mir ihren aktuellen Forward Guidances (Zins und Kaufprogramme) - eine Adjustierung der vorhandenen Instrumente vornehmen könnte. Konkret dürften die japanischen Notenbanker im Zuge eines nachhaltigen Abebbens von Corona ihre Zinssenkungsmöglichkeit (ähnlich wie bei der EZB) Ende 2022 fallen lassen und ihren Leitzins in der ersten Jahreshälfte 2023 auf 0,00% anheben. Im Anschluss daran und unter einem neuen BoJ-Vorsitzenden könnte die YCC-Strategie derart geändert werden, dass der Fokus auf Laufzeiten von 5 Jahren und weniger gelenkt wird – H2 2023 scheint für einen solchen Schritt sehr wahrscheinlich.
Ein geldpolitisches Ziel dauerhaft nicht zu erreichen ist für eine Zentralbank und damit für die Märkte sowie Realwirtschaft ein ernsthaftes Problem, das gelöst werden muss. In anderen Worten: sofern das geldpolitische Ziel auf Dauer nicht glaubwürdig ist, z.B. weil es über einen sehr langen Zeitraum nicht erreicht wird, ist dieses anzupassen. Die BoJ dürfte diesen Weg der Anpassung im Rahmen eines Strategic Reviews in den kommenden Quartalen gehen.
JGB-Kurve: Kurzes wie auch…
Langes Ende mit Aufwärtsdruck
EUR/JPY
Sollte die EZB im März 2022 tatsächlich ihr Tapering beschleunigen und damit endgültig den Weg für mindestens einen Zinsschritt noch in diesem Jahr ebnen, handelte sie zeitversetzt zur BoJ. Dies würde zunächst der Gemeinschaftswährung im Verhältnis zum japanischen Yen den Rücken stärken. Sobald allerdings das skizzierte Szenario einer YCC-Änderung seitens der BoJ erkennbar wird, dürfte EUR/JPY wiederum tiefere Niveaus ansteuern. Analog zur dargelegten Zeitachse mit Blick auf den Wegfall der Zinssenkungsmöglichkeit (Ende H2 2022) und YCC-Adjustierung (Ende H1 2023) ist dies spätestens ab 2023 zu erwarten.
JGB-Kurve: Ausblick
In der kurzen Frist, d.h. während die BoJ ihre aktuelle YCC im Jahr 2022 verteidigt (10-jähriger Bereich auf der JGB-Kurve), sollte sich der 10/20er JGB-Spread im Fahrwasser des globalen Renditeanstieges ausweiten. Selbst wenn sich Letzterer zunächst wieder stabilisiert, dürfte die JGB-Kurve im 10-20-jährigen Bereich moderat steiler werden. Gegen Ende des ersten Halbjahres 2023 sollte sich dann verstärkt der 5/10er JGB-Spread ausweiten, da die BoJ ab dann ihre Kontrolle der Renditestrukturkurve auf den fünfjährigen Bereich verlagern dürfte.
Spreads japanischer Staatsanleihen, in BP
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