Wir beleuchten die Pläne der Ampelkoalition und gehen der Frage nach, wie die geplanten Ausgaben finanziert werden sollen. Im Rahmen dieser Analyse blicken wir auf mögliche Auswirkungen auf die Inflation und skizzieren Markteffekte.
Große Ziele
Der Koalitionsvertrag hat große Ziele. Er versucht den Dreiklang an Aufgaben: dem Klimaschutz, der digitalen Transformation und der sozialen Erneuerung soll ein gleichermaßen großes Gewicht gegeben werden. Dabei ist das Koalitionspapier über große Teile ambitioniert, da es eine Fülle von Maßnahmen vorsieht, die einerseits das Erreichen der Klimaschutzziele bis 2030 ermöglichen und andererseits auch konsistent mit dem 1,5-Grad-Ziel sind (das Wort „Klima“ findet sich 200-mal im Koalitionsvertrag). Damit würde die größte Volkswirtschaft in Europa auf eben jenem Kontinent und ggf. darüber hinaus eine Vorreiterrolle einnehmen.
Auch in ersten Details kann das Ampel-Programm als ambitioniert eingestuft werden: Digitalisierung, vorgezogener Kohleausstieg, Ende des Verbrennungsmotors; 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf deutschen Straßen, der Bau von jährlich 400.000 Wohnungen (1/4 davon sozialer Wohnungsbau) sind allerdings nicht nur inhaltlich große Ziele. Das alles kostet auch sehr viel Geld und in den meisten Punkten wird im Vertrag nicht klar formuliert, wo es herkommen soll.
Finanzierungsfragen
Letztlich lässt sich die Finanzierung der skizzierten Ziele ebenfalls als Dreiklang zusammenfassen. Neben entsprechenden Steuereinnahmen (zunächst nur aufgrund der konjunkturellen Erholung) hat die neue Koalition zwei konkrete Geldquellen benannt: (i) staatliche respektive staatsnahe Institutionen, allen voran die Kreditanstalt für Wiederaufbau, sowie (ii) der Aufbau eines Energie- und Klimafonds durch höhere Staatsschulden. Da der Umfang der Verschuldung 2021 und 2022 – durch Parlamentsermächtigung – unbegrenzt ist, d.h. die Schuldenbremse ausgesetzt ist, sollen hier Mittel in den Fonds umgeleitet bzw. geparkt werden. Dieses Geld kann dann ab 2023 ausgegeben werden.
Die Höhe der Mittel, mit denen der Fonds ausgestattet wird, ist noch offen, und letztlich wohl auch eine juristische Frage: darf der Energie- und Klimafonds mit Milliardensummen gefüllt werden mit der Begründung, dass es eine Pandemie gibt? Hier gibt es zum Teil widersprüchliche Einschätzungen.
Der designierte Finanzminister, Christian Lindner, argumentiert jedenfalls, dass aufgrund der Corona-Pandemie entsprechende Investitionen in die Transformation der Wirtschaft ausgeblieben seien. Ob diese mittelbare Argumentationskette juristisch hält, bleibt abzuwarten. Die Tilgung der für den Fonds aufgenommen Mittel soll sich laut dem zukünftigen Bundesminister für Finanzen zeitlich an dem Tilgungsplan der EU für ihren Europäischen Wiederaufbaufonds anlehnen. Diese „Synchronisation“, von der Lindner spricht, dürfte auch die Schuldenaufnahme für den hiesigen Fonds argumentativ vereinfachen, respektive juristisch weniger angreifbar machen.
Selbst wenn die identifizierten Finanzierungsquellen von der Ampel erfolgreich angezapft werden können, wird ein signifikanter fiskalpolitischer Fortschritt schon dadurch verhindert, dass die neue Regierung vor einer Reform der Schuldenbremse zurückschreckt. Die aktuelle Ausgestaltung des Wachstums- und Stabilitätspaktes ist zumindest diskussionswürdig. Vielleicht können die Herren Macron und Draghi die Scholz-Regierung hier noch zu Gesprächen motivieren.
Des Weiteren könnten die vielen Investitionsvorhaben der neuen Regierung – bei keiner Adjustierung der inländischen wie europäischen Verschuldungsregeln – ab 2023 höhere Steuern notwendig machen. Dies würde die vorhandenen Wachstumsimpulse durch die Investitionsoffensive zumindest teilweise konterkarieren.
Aktienrente und Steuern
Der Zielkatalog der Ampel beim Thema Rente ist wenig ambitioniert. Hier soll an den bisherigen Grundsätzen festgehalten werden, wobei das bisherige System nun um eine Aktienrente (ein bestimmter Prozentsatz des Bruttolohns von Angestellten fließt hierbei in einen staatlichen Fonds, der das Geld am Kapitalmarkt breit gestreut investiert) ergänzt werden soll. Zehn Milliarden Euro sollen hier, ähnlich zum skandinavischen Rentenmodell, 2022 investiert werden. Dies ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Kurz- und mittelfristig kann hierdurch kein wesentlicher Beitrag zur gesetzlichen Rente beigesteuert werden. Es hat höchstens eine symbolische Wirkung. Faktisch hat das keine stabilisierenden Effekte auf die kommenden Jahre. Sofern hier während der Legislaturperiode entsprechend nachgesteuert wird, könnte Deutschland sein Generationenproblem beim Thema Rente doch noch lösen. Die Chancen hierfür haben sich mit dem Mini-Einstieg in die Aktienrente gegenüber früheren Dekaden zumindest erhöht.
Staatsverschuldung in % des BIP
Bei dem Punkt Steuern ist zu erkennen, dass die beteiligten Parteien sich auch neutralisieren können. Breite Entlastungen für alle, wie sie die FDP wollte, sind genauso vom Tisch, wie höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende, teilweise auch für Unternehmen (im Wahlkampf von SPD und Grünen gefordert). Am Ende wird keine dieser Forderungen umgesetzt: "Wir machen daran nichts". Konkret müssen Normalverdiener auf Entlastungen verzichten, weil sich hier keine Ampelpartei zu sehr bewegen wollte.
Erhöht die Ampel die Inflation?
Dass der avisierte und notwendige Umbau der Wirtschaft die Preise dauerhaft antreibt, ist unseres Erachtens unwahrscheinlich. Im Moment gibt es viele Sondereffekte bei der Inflation, die nicht dauerhaft sind. Zudem greift nach der Pandemie wieder eine Vielzahl an Faktoren, die bereits zuvor global preisdämpfend gewirkt haben. Eine realistische Entwicklung beim CO2-Preis bedeutet ein jährliches Plus bei den Preisen für Sprit und Erdgas von rund sechs Prozent. Das ist viel geringer als alles, was dieses Jahr zu beobachten ist und es wäre stetig statt sprunghaft. Sofern der Pfad kontinuierlich ist und frühzeitig angekündigt wird, sind auch die Risiken einer Inflation nicht sehr hoch. Im Laufe der Zeit würden die Preise immer weniger Bevölkerungsteile treffen, weil diese adaptive umsteigen. Menschen würden beispielsweise anders heizen und sich als nächstes ein anderes Auto kaufen Wichtig ist ein verlässlicher Pfad ohne Sprünge. Die Politik muss sich dabei auch überlegen, wie sie besonders stark betroffene Gruppen mit gezielten Maßnahmen vor sozialen Härten bewahren kann.
Markteffekte
Sofern die wirtschaftspolitische Agenda und damit insbesondere die Transformation der Wirtschaft durch den Staat angetrieben und gefördert wird, sprich die relevanten Vorhaben finanziert werden – wovon wir ausgehen –, dürften viele Sektoren von den Fiskalimpulsen profitieren. Eine zupackende Fiskalpolitik mit EU-weiter Nachahmung könnte auch die Geldpolitik der EZB ein Stück weit entlasten. Eine nachhaltige Renditewende ist hieraus jedoch nicht abzuleiten.
Für die Gemeinschaftswährung bedeutet ein hinreichend ausgestatteter Energie- und Klimafonds auf Ebene der größten Volkswirtschaft der EU einen gewissen Rückenwind – ähnlich, aber nicht im gleichhohen Ausmaße, wie durch den Europäischen Wiederaufbaufonds aufgrund der Corona-Pandemie. Denn sobald diese im Frühjahr wieder in den Hintergrund tritt (und weiteren Wellen durch eine entsprechende Impfstoffverteilung vorgebeugt wird), ist die Transformation der Wirtschaft (wieder) das zentrale wirtschaftspolitische Thema.
Am Ende dürften Investoren durch eine entsprechenden Performance von Risiko-Papieren von den anstehenden Ampel-Plänen profitieren. Eine zentrale Annahme hierbei ist wie gesagt, dass Europa und die Welt vorhandene und neue Virus-Mutationen entschieden bekämpfen.
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