Auf Krieg folgt Stagflationsgefahr
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Auf Krieg folgt Stagflationsgefahr

Markt & Wirtschaft

01. März 2022

Lesezeit: 4 Minuten

Die Geopolitik verursacht einen zusätzlichen Preisschub, was Konjunkturwolken mit sich bringt. Kurzfristig dürfte die Eurozone die Preiseffekte wegstecken. Ein nachhaltiger (Energie-)Preisanstieg birgt jedoch große Gefahren. Was sind die Implikationen für die nächsten Zentralbanksitzungen und Asset-Klassen? Wir wagen einen Ausblick.

Krieg – kein Nato-Bündnisfall

Die russische Invasion der Ukraine hat das Ziel, die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zu verhindern. Es ist unseres Erachtens sehr unwahrscheinlich, dass es zu einem Konflikt mit der NATO kommt (atomare Abschreckung). In den vergangenen 73 Jahren haben es die USA und Russland letztlich immer vermocht, einen Krieg zwischen  ihren Ländern zu verhindern. Ein Restrisiko, dass es zu Spillover-Effekten vom Ukraine-Krieg auf östliche NATO-Bündnis-partner gibt, bleibt alleine aufgrund der geografischen Nähe zum Konfliktherd bestehen. Eine diplomatische Lösung ist aktuell nicht absehbar. In der kurzen Frist dürfte die Unsicherheit an den Märkten in Abhängigkeit der Invasionsdauer somit anhalten. Im Gegensatz zur Pandemie-Bekämpfung können die Zentralbanken in der gegenwärtigen Lage vergleichsweise wenig Brände löschen. De facto wird die geldpolitische Unterstützungsrolle durch die Inflationsfront sogar stark limitiert.

Makro-effekt: Stagflation

Bereits vor dem Ukraine-Krieg stellte die Entwicklung der Rohstoffpreise einen der Hauptreiber für die derzeit hohen Inflationsraten in den entwickelten Volkswirtschaften dar. Jedoch könnten die Teuerungsraten in den kommenden beiden Jahren nochmal höher ausfallen. Laut Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln könnten die Inflationsraten bis zu drei Prozentpunkte höher ausfallen, sofern es zu einem Gaspreisanstieg von 50% gegenüber dem vierten Quartal 2021 kommt. In der kurzen Frist, d.h. für das Frühjahr, dürfte der gesamtwirtschaftliche Effekt des Ukraine-Krieges für die Eurozone zunächst limitiert bleiben. Die privaten Haushalte stehen aufgrund ihrer Ersparnisse gut da und können die höheren Energiepreise aushalten. Sollte Russland als Gegenreaktion jedoch den Gashahn vollständig zudrehen, verstärkt sich der negative Energiepreiseffekt für die EWU-Wirtschaft. Die Mehrausgaben für Energierechnungen auf privater Haushalts- wie Unternehmensebene würden das verfügbare Einkommen bzw. die Cash Flows spürbar belasten. Statt mit rund 4%, wie noch Anfang des Jahres für 2022 prognostiziert, dürfte die Eurozone moderater mit 3,5%, respektive „nur“ mit 3,0% (fossile Energielieferungen komplett unterbrochen) zulegen. Allerdings bestehen abseits der Konjunktureffekte aufgrund der negativen Energiepreiseffekte weitere Abwärtsrisiken. So könnten der private Konsum respektive die Anlageinvestitionen der Unternehmen durch Sentiment-Kanäle sowie durch Vermögenspreiseffekte weiter gedämpft werden.

Energiepreise deutlich erhöht...

Exkurs: EU-Energieversorgung

Sollte es vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts zu einem vollständigen Lieferstopp von Gas aus Russland kommen, wäre dies kurzfristig überbrückbar. Nicht zuletzt aufgrund eines milden Winters, der zudem ausläuft, sind „kalte“ Haushalte hierzulande unwahrscheinlich. Zur Not müsste die Industrie ihren Verbrauch drosseln.

Wie geht es weiter? Kurzfristig dürften die Energiepreise weiter steigen. Wie stark, hängt letztlich von den Gaslieferungen bzw. deren Ausfall ab. Neben einer Diversifikation der Energieimporte (mehr Flüssiggas, Wasserstoff-Bezug) und einer Kapazitätserweiterung der EU-Energiequellen, dürften die Themen (i) Energiesparen und (ii) grüne Energien / Energiewende nochmals deutlich an Fahrt aufnehmen. Daraus ergeben sich entsprechende Investment-Themen. Der Angriffskrieg Russlands hat bereits jetzt bewirkt, dass die EU ihre Energieabhängigkeit von Russland gen Null konvergieren lassen dürfte.

 

Wie reagieren Fed & EZB?

Die US-Notenbank dürfte am 16. März eine erste Zinserhöhung i.H.v. 25 Bp. vornehmen. Gleichwohl könnte die Fed darauf verzichten, eine Serie an Zinserhöhungen plus die Abschmelzung der Bilanz ins Fenster zu stellen. Vielmehr sollten die US-Währungshüter zwar einerseits die Inflationsentwicklung entsprechend würdigen. Andererseits sollte die aktuelle Lage an der geopolitischen Front für die Betonung von konjunkturellen Abwärtsrisiken dienen. Die Fed wird zunächst von Meeting zu Meeting über einen Zinsschritt entscheiden – bis eine Lösung für den Ukraine-Krieg absehbar und die hartnäckige Inflation wieder Haupttreiber der Märkte ist.

Die EZB dürfte sich im Vergleich zur Fed noch mehr um geldpolitische Unterstützung bemühen – alleine, weil die Eurozone exponierter zum Krisenherd ist. Sofern die Gaslieferungen aus Russland vollständig versiegen bzw. dies bis zur geldpolitischen Sitzung am 10. März hinreichend wahrscheinlich ist und gleichzeitig der Krieg anhält, dürfte die EZB nicht zu einer beschleunigten Drosselung der Anleihekäufe im Rahmen des Asset-Purchase-Programs (APP) übergehen – obwohl die Inflationsgefahr zunimmt. Das APP liefe bei unveränderter Forward-Guidance ab dem vierten Quartal mit EUR 20 Mrd. pro Monat (ohne Enddatum). Käme es zu einer diplomatischen Lösung des Ukraine-Konfliktes, könnte die EZB das APP zum Jahresende auslaufen lassen (keine Beschleunigung, aber Nennung eines Enddatums). Ein erster Zinsschritt bliebe in diesem Fall Ende 2022 noch möglich.

 

Marktimplikation: EUR/USD

Die EUR-Risiken haben deutlich zugenommen. Die geografische Nähe zum Konfliktherd bedeutet letztlich erhebliche Abwärtsrisiken für die EWU-Konjunktur. Dies dürfte die EZB entsprechend berücksichtigen (weniger Zinsanhebungsfantasie). Gleichzeitig dürfte die Fed die geldpolitische Schere ein Stück öffnen.

Darüber hinaus ist der US-Dollar im Falle eines Krieges der sicherste Hafen. Letztlich deutet somit viel auf zunächst niedrigere EUR/USD-Niveaus hin; ein Test der Marke von 1,10 im Falle eines anhaltenden militärischen Konfliktes bei einem Zinsschritt der Fed im März ist wahrscheinlich. Rückenwind bis auf 1,15 dürfte die Gemeinschaftswährung im Falle eines Waffenstillstandes und einer diplomatischen Lösung erhalten.

 

Renten-Universum

Die Nachfrage nach sicheren Häfen und damit US-Treasuries hat binnen Wochenfrist zu einer leichten Verflachung der US-Renditestrukturkurve im mittleren bis längeren Laufzeitenbereich geführt. Gleichzeitig sind vor dem geopolitischen Hintergrund die Kurse von Staatsanleihen von Ländern wie Slowenien, Litauen, etc. stark eingebrochen. Inflationssorgen und damit frühere EZB-Zinserhöhungen hatten diese Staatspapiere allerdings schon zuvor unter Druck gebracht. Zwar ist ein NATO-Bündnisfall unwahrscheinlich (atomare Abschreckung). Jedoch dürfte die Unsicherheit in der kurzen Frist in Abhängigkeit der Invasionsdauer noch anhalten. Mittelfristig dürften sich die Kurse von Staatsanleihen östlicher NATO-Bündnispartner wieder erholen. Einen „Default“ dieser Staaten halten wir für nahezu ausgeschlossen. Das bisherige A-Rating (Fitch) von Litauen beispielsweise sollte unseres Erachtens Bestand haben.

 

Regionale und sektorale Allokation

Die jüngsten politischen Entscheidungen (nicht zuletzt auch in Deutschland) sind Auslöser, um nach Möglichkeiten zu suchen, das Aktienportfolio um Investments in den Bereichen „Sicherheit & Verteidigung“ sowie im Bereich „Alternative Energien“ zu ergänzen. Mögliche Investments umspannen hierbei die gesamte Produkt- und Wertschöpfungskette – von Cybersecurity bis hin zu entsprechenden Ausrüstungsindustrien. Der bereits im Portfolio stark vertretene Bereich der „Materials“ (Grundstoffe) bleibt grundsätzlich aufrechterhalten.

Da der Konfliktherd in Europa liegt, erscheint es sinnvoll, die regionale Allokation vorübergehend so auszurichten, dass Europa etwas geringer gewichtet ist. Entsprechend sollten Regionen wie etwa Nordamerika, Australasien stärker im Portfolio vertreten sein. Engagements in Emerging Markets stehen grundsätzlich auf dem Prüfstand (USD-Stärke, Gegenwind durch die Notwendigkeit von Rohstoffimporten wie beispielsweise im Falle Indiens).

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