EWU-Inflation bleibt außer Rand und Band
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EWU-Inflation bleibt außer Rand und Band

Economic Research AKTUELL

02. März 2022

Lesezeit: 7 Minuten

Der EWU-Inflationsschub seitens der Energiepreise hat im Februar angehalten. Problematisch ist vor allem der hohe geopolitische Einfluss. Die Inflationsrate dürfte schon ab März über 6,0 % liegen und 2022 nicht mehr in mäßige Gefilde zurückfallen. Das Fragezeichen hinter einem geldpolitischen Schwenk der EZB ist größer geworden.

Die EWU-Inflationsrate ist erneut gestiegen: Im Februar lag sie bei 5,8 %, nach 5,1 % im Januar. Treiber waren einmal mehr die Energiepreise, die, angeheizt vom Russland-Ukraine-Krieg, im Vormonatsvergleich um 3,3 % zunahmen. Dadurch erhöhte sich deren Jahresrate auf 31,7 %. Auch die Jahresrate anderer Preiskomponenten erreichte neue Hochs: Bei Dienstleistungen sind es 2,5 %, bei industriellen Gütern 3,0 % und bei Nahrungsmitteln 4,1 %. Es überrascht nicht, dass die Kernrate auf 2,7 % gestiegen ist, nach 2,3 % im Januar.

Bislang waren wir davon ausgegangen, dass die EWU-Inflationsrate bis April nur noch wenig klettern und ihren Gipfel dann erreichen wird. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg ist diese Sicht nun nicht mehr haltbar. Aufgrund der hohen Energieabhängigkeit von Russland tragen die Energiepreise bereits seit April 2021 mit mindestens 60 % zum Inflationsschub bei. Da wir für Erdgas und Rohöl für die nächsten Monate mit einer weiteren Aufwärtstendenz rechnen, wird die Inflationsrate unserer Einschätzung nach im ersten Halbjahr 2022 über 6,0 % steigen.

Auch für die zweite Jahreshälfte 2022 ändert sich der Inflationsblick: Den von uns bisher erwarteten Energiepreisrückgang, insbesondere bei Rohöl, haben wir stark abgeschwächt. Wir gehen jetzt davon aus, dass der Rohölpreis im Jahresdurchschnitt 2022 bei 100 statt 85 US-$/b liegen wird. Dem Grunde nach rechnen wir nun also mit ganzjährig sehr hohen Energiepreisen. Diese werden im zweiten Halbjahr unschöne Basiseffekte im Inflationsprofil hervorrufen. Ein deutliches Absinken der Inflationsrate in die Nähe von 2,0 % ist damit vom Tisch, zumal die globale Lieferlogistik durch den Ukraine-Krieg länger haken und Preisüberwälzungen hervorrufen dürfte. Wir sind deshalb darauf eingestellt, dass die Rate klar über 4,0 % liegen wird. Unsere Inflationsprognose für 2022 haben wir von 4,4 auf 5,7 % angehoben. Da das hohe HVPI-Niveau erhalten bleibt, dürfte Kaufkraft dauerhaft entzogen und der Konsum belastet werden. Die von uns in erster Linie für die Zeit ab 2023 erwarteten höher ausfallenden Lohnanstiege werden diese Verluste nur teilweise auffangen, sicherlich aber den Boden für neue Preisüberwälzungen bereit halten.

Auf ihrer Ratssitzung in der nächsten Woche wird die EZB gar nicht anders können, als ihre Inflationsprojektion für 2023/24 drastisch anzuheben. Dass dies, wie bisher von uns erwartet, ein Signal für 2022 endende Wertpapierkäufe und eine Einlagesatzerhöhung auslösen wird, ist durch den Ukraine-Krieg jedoch höchst unsicher geworden. Die EZB dürfte sich eher auf die Konjunktur konzentrieren und hier jede weitere Belastung vermeiden. Es steht also zu erwarten, dass der Ukraine-Krieg den Schwenk der Geldpolitik zeitlich aufschieben wird. Mit Blick auf tragfähige Staatsschulden wird sich der Kummer der EZB dabei aber wohl in Grenzen halten. 

Prognosen für den Euroraum 2019 2020 2021 2022P 2023P
Bruttoinlandsprodukt (% zum Vorjahr)* 1,6 -6,5 5,2 4,1* 2,3*

Verbraucherpreise (% zum Vorjahr)

1,2 0,3 2,6 5,7 3,0
Arbeitslosenquote (%, Jahresende) 7,5 8,2 7,0 6,5 6,3

Quelle: Refinitiv Datastream. 2022P/23P: Prognose Hauck Aufhäuser Lampe
*Wegen des Ukraine-Kriegs unter Vorbehalt

Erläuterungen

Abkürzung Erklärung
b Barrel
EWU Europäische Währungsunion
EZB Europäische Zentralbank
HVPI Harmonisierter Verbraucherpreisindex
US-$ US-Dollar als Volumenangaben
z. Vj. zum Vorjahr

Begriffserklärungen

Spielt bei Veränderungsraten eine Rolle, meist bezogen auf das Vorjahr. Die Höhe z. B. der Inflationsrate eines bestimmten Jahres hängt nicht nur von der aktuellen monatlichen Preisentwicklung ab, sondern auch von der Höhe der Ausgangsbasis der Vorperiode.

Gesamtwert aller von einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum erstellten Waren und Dienstleistungen, soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden.

Geldpolitisches Instrument. Es bezieht sich auf die von einer Notenbank gezahlte Verzinsung für Guthaben, die von Geschäftsbanken bei ihr angelegt werden.

Hinweise im Rahmen der Kommunikation einer Notenbank zum künftigen Kurs ihrer Geldpolitik.

Umfasst sämtliche Maßnahmen, die eine Notenbank zur Verwirklichung ihrer Ziele ergreifen kann.

Einheitlicher Maßstab zur Messung der Inflation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion.

Allgemeine und anhaltende Steigerung des Preisniveaus bei Gütern und Dienstleistungen.

Veränderung der Verbraucherpreise, die in der Regel gegenüber dem Vormonat und dem Vorjahr ermittelt wird.

Veränderung der Verbraucherpreise ohne die Berücksichtigung der Preise von Energie und Nahrungsmittel. Mitunter werden auch Alkohol und Tabak nicht berücksichtigt.

Eigenständige Institution, die mit der Durchführung der Geldpolitik betraut ist. Bei unterschiedlichen staatlichen Abhängigkeitsgraden zielt ihr Wirken meist auf die Höhe eines bestimmten Beschäftigungsgrades und/oder auf die Wahrung einer festgelegten Preisniveaustabilität ab.

Beschreibt den Prozess, durch den höhere Kosten und Preise von Unternehmen an die Kunden weitergegeben werden.

Messung der durchschnittlichen Preisentwicklung von Waren und Dienstleistungen.

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