Karen Krämer, LL.M.
Direktorin, Leiterin Stiftungs- und Nachfolgeplanung
Fehlende Erträge und Kurskorrekturen in volatilen Märkten bei gleichbleibenden Kosten und verplanten Stiftungsmitteln - das Jahr 2022 hält für Stiftungsvorstände Herausforderungen bereit. Über mögliche Lösungsansätze für Stiftungen hat Karen Krämer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Hauck Aufhäuser Kulturstiftung, mit Mark Pawlytta, Partner und Leiter des Bereichs Familienunternehmen, Nachfolge & Stiftungen bei KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Frankfurt am Main gesprochen.
Herr Pawlytta, Stiftungen sehen sich derzeit vermehrt mit größeren Vermögensschwankungen oder gar Vermögensverlusten konfrontiert. Welche Handlungsempfehlungen können Sie der Stiftungspraxis geben?
Mark Pawlytta: Stiftungen haben üblicherweise einen sehr langen Anlagehorizont und können Verwerfungen an den Kapitalmärkten deutlich gelassener ins Auge blicken. Trotzdem sollte das aktuelle Marktumfeld genutzt werden, um die aktuelle Vermögensanlagestrategie zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Das bedeutet z. B. auch, etwaige Anlagerichtlinien auf ihre Aktualität hin zu untersuchen. Denn insbesondere bei sinkenden Erträgen, aber gleichbleibenden Verwaltungskosten steigt die sog. Verwaltungskostenquote und kann so im schlimmsten Fall die Gemeinnützigkeit einer Stiftung gefährden.
Stichwort Verwaltungskostenquote: Die Verwaltungskostenquote stellt das Verhältnis der Verwaltungsausgaben (z.B. für laufende Buchführung und Jahresrechnung, Angestellte, Büromaterial, Spendenwerbung) zu den gesamten vereinnahmten Mitteln (Erträge aus der Vermögensverwaltung, Spenden, Zuschüsse, Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben usw. abzüglich der Ausgaben im Bereich der unmittelbaren Zweckverwirklichung) dar. Gibt es eine bestimmte Verwaltungskostenquote, die von einer Stiftung nicht überschritten werden darf?
Mark Pawlytta: Eine im Gesetz geregelte, rechtlich oder steuerlich maximale Verwaltungskostenquote gibt es zwar nicht. Aber Rechtsprechung und Finanzverwaltung haben sich in der Vergangenheit mehrfach zur Frage geäußert, welche Verwaltungskosten einer Stiftung noch angemessen sind und welche nicht. Es kommt dabei stets auch auf den konkreten Zweck der Stiftung und die Art und Weise an, wie typischerweise die Stiftungsmittel eingesetzt werden. Deshalb kann es keine für alle Stiftungen allgemeingültige Maximalgrenze der Verwaltungskosten geben. Eine gemeinnützige Stiftung kann aber z. B. ihre Gemeinnützigkeit verlieren, wenn ihre Ausgaben für die allgemeine Verwaltung einschließlich der Werbung um Spenden einen angemessenen Rahmen übersteigen. Dieser angemessene Rahmen gilt allgemein als überschritten, wenn eine Stiftung, die sich z. B. weitgehend durch Geldspenden finanziert, diese überwiegend verwendet, um die Verwaltung und die Spendenwerbung zu finanzieren. Wer jedoch glaubt, dass mit „überwiegend“ ein prozentualer Anteil der Verwaltungsausgaben von mehr als 50% gemeint ist, sollte sich hüten. Denn auch bei bedeutend geringeren Verwaltungsausgaben, z. B. bei 30% oder 40% der Stiftungsmittel, kann die Einzelfallbetrachtung zu der Annahme führen, dass im Verhältnis zu den eingeworbenen Spenden diese Verwaltungskosten zu hoch und somit unangemessen sind. Ein Beispiel: Eine reine Förderstiftung, die Spenden einwirbt, muss sich darauf einstellen, dass nicht erst eine Verwaltungskostenquote von 50% schädlich ist. Stiftungsvorstände sollten deshalb darauf achten, dass die Ausgaben für die Verwaltung einerseits angemessen im Verhältnis zum Zweck der Stiftung und der Stiftungsmittel und andererseits marktüblich sind.
Wie können Stiftungsvorstände in solchen Situationen reagieren?
Mark Pawlytta: Zunächst ist zwischen dem sogenannten Grundstockvermögen (=„unantastbares Kernvermögen“) und sonstigem Vermögen der Stiftung, welches zur Erfüllung des Stiftungszwecks zur Verfügung steht, zu unterscheiden. Bei sinkendem Wert des Grundstockvermögens hat der Stiftungsvorstand grundsätzlich alle verfügbaren Möglichkeiten zur Erhaltung des Werts des Grundstockvermögens zu nutzen. Ggf. kann hierzu auf verfügbare Rücklagen, etwa auch aus vorherigen Umschichtungs-gewinnen zurückgegriffen und diese ganz oder teilweise aufgelöst werden. Wie groß die tatsächliche Herausforderung hierbei ist, ist auch davon abhängig, ob das Grundstockvermögen in seinem realen oder in seinem nominellen Wert erhalten werden muss, was sich nach der Gesetzesbegründung zur Stiftungsrechtsreform (zukünftig) insbesondere aus der Stiftungssatzung und dem darin gewählten Vermögenserhaltungskonzept ergeben soll. Daneben ist mit Blick auf die weitere Entwicklung sicher auch an eine Umschichtung des Grundstockvermögens in Anlagen mit zu erwartenden Wertsteigerungen zu denken, was letztlich aber auch abhängig von den Vorgaben der Stiftungssatzung ist.
Auch bei ausbleibenden oder sinkenden Erträgen kommen neben dem verstärkten Fundraising und der Einwerbung von Spenden die Nutzung von etwaigen freien Rücklagen und gegebenenfalls verfügbaren Gewinnen aus (früheren) Umschichtungen des Grundstockvermögens in Betracht, sofern die Satzung dies zulässt. Das ist keine einfache Entscheidung für den Stiftungsvorstand.
Können sich auch Satzungsanpassungen lohnen, etwa mit Blick auf die Stiftungsrechtsreform, die am 1. Juli 2023 in Kraft treten wird?
Mark Pawlytta: Ja, es lohnt sich auf jeden Fall, die eigene Stiftungssatzung zu überprüfen und ggf. an das neue Recht anzupassen. So könnte etwa eine Satzungsanpassung dem Stiftungsvorstand größere Freiheiten für Vermögensinvestitionen einräumen, sodass hierdurch Unsicherheiten entgegengewirkt werden kann. Änderungen der Stiftungssatzung sind grundsätzlich nur unter besonderen Voraussetzungen möglich (regelmäßig bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse) und bedürfen zudem der Genehmigung der Stiftungsaufsicht und bei gemeinnützigen Stiftungen auch des Finanzamts. Hier bietet die Stiftungsrechtsreform eine fast einmalige Gelegenheit. Der Gesetzgeber hat einen Übergangszeitraum bis zum Inkrafttreten des neuen Stiftungsrechts am 1.7.2023 gelassen und dies damit begründet, dass alle bestehenden Stiftungen bis dahin ihre Satzungen an das neue Recht anpassen können sollen. Diese Gelegenheit sollte deshalb jede Stiftung nutzen. Ich würde das Augenmerk mindestens immer auf die Bereiche Satzungsänderungen, Vermögen, Umschichtungen und Stiftungsfusionen legen.
Um ein Beispiel zu nennen: Zukünftig dürfen Gewinne aus der Umschichtung des Grundstockvermögens, also z. B. Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren oder Immobilien im Grundstockvermögen, unmittelbar für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden, wenn dadurch der Erhalt dieses Grundstockvermögens nicht gefährdet ist. Es gibt aber im neuen Gesetz noch einen Halbsatz, nach dem dies nur gilt, wenn die Satzung eine solche Verwendung der Umschichtungsgewinne nicht ausschließt. Für neue Satzungen mag das passen, aber was gilt für alte Stiftungssatzungen, die sich nicht immer klar zu der Frage der Verwendung von Umschichtungsgewinnen äußern? Um hier nicht in eine unangenehme Diskussion mit der Stiftungsaufsicht und dem Finanzamt zu geraten, würde ich die Satzung bestehender Stiftungen im Zweifel ändern und klar formulieren, ob Umschichtungsgewinne auch für den Stiftungszweck verwendet werden dürfen oder nicht.
Was haben die Stiftungsorgane bei der Satzungsanpassung in zeitlicher Hinsicht zu beachten?
Mark Pawlytta: Bestehende Stiftungen dürfen laut Gesetzgeber bis zum 1. Juli 2023 ihre Satzungen unter erleichterten Voraussetzungen an das neue Recht anpassen. Es ist anzunehmen, dass ab dem 1.7.2023 eine Anpassung der Stiftungssatzung mit dem alleinigen Verweis auf die Stiftungsrechtsreform von den Stiftungsaufsichtsbehörden nicht oder nicht mehr ohne weiteres akzeptiert wird. Stiftungen und Stifter sollten deshalb die Möglichkeit jetzt nutzen, um ihre Satzungen zu modernisieren. Dabei sollte im Blick behalten werden, dass eine Satzungsänderung häufig die Einbeziehung mehrerer Gremien und eine Abstimmung mit der Stiftungsaufsicht sowie bei gemeinnützigen Stiftungen auch mit der Finanzverwaltung erfordert. Bei Satzungsänderungen mit einer gemeinnützigkeitsrechtlichen Wirkung ist zudem zu beachten, dass diese grundsätzlich zum Beginn eines Veranlagungszeitraums (bei Stiftungen in aller Regel der 1. Januar) erfolgt sein müssen, um für diesen Veranlagungszeitraum Wirkung zu entfalten. Satzungsanpassungen sollten deshalb nach Möglichkeit diesen Herbst angestoßen und idealerweise auch abgeschlossen werden.
Vielen Dank für das Interview, Herr Pawlytta!
Mark Pawlytta kümmert sich seit über 16 Jahren um die Sicherung des Vermögens von Unternehmern, Privatpersonen und Stiftungen und leitet diesen Bereich der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Deutschland.
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