Krieg in der Ukraine
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Krieg in der Ukraine

24. Februar 2022

Lesezeit: 8 Minuten

Den Meldungen von heute früh zufolge haben russische Angriffe auf die Ukraine begonnen. Auch wegen der in Gang gesetzten Sanktionsspirale sind Konjunktur- und Inflationsrisiken nun deutlich gestiegen, insbesondere für den Euroraum. Für die Geldpolitik verstärkt sich das Dilemma, zwischen Inflationsbekämpfung und Konjunkturunterstützung zu entscheiden. Wir rechnen mit einer volatil bleibenden Nachrichtenlage, die Aktienmärkte belasten dürfte.

Die Hoffnung auf eine baldige diplomatische Lösung im Ukraine-Konflikt ist seit dem vergangenen Dienstag geplatzt: Mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der Regionen Donezk und Luhansk in der Ost-Ukraine und russischen Angriffen, die ersten Meldungen von heute früh zufolge nicht nur auf die Ost-Ukraine beschränkt seien, schafft Russland neue Fakten, die auf absehbare Zeit nicht verrückbar sind.

Sanktionen werden im Weichspül-Modus beendet

Westliche Staaten hatten für den Fall einer Militärintervention umfangreiche und harte Finanz- und Wirtschaftssanktionen angekündigt1. Um das Sanktionsschwert nicht vorschnell abzustumpfen, sind bisher weiche Sanktionen ergriffen worden, die aufgrund des nun gestiegenen Eskalationsgrades allerdings schrittweise verschärft werden dürften. So haben die USA in einer ersten Reaktion bereits Geschäfte und Investitionen in den Separatisten-Regionen verboten, und Deutschland hat den Zertifizierungsprozess von Nord Stream 2 gestoppt. Vielfach sind einzelne russische Personen oder Institutionen noch auf „schwarze Listen“ gesetzt worden. Ein einheitliches Vorgehen der westlichen Länder zeichnet sich bisher nicht ab, auch innerhalb Europas nicht. Auf den Beginn der breiter angelegten Militäroperation erwarten wir weitere Sanktionen der westlichen Staaten, auf die Russland wiederum mit Gegenmaßnahmen reagieren dürfte. Die Sanktionsspirale wird sich also weiterdrehen.

1 Vgl. hierzu auch unser Economic Research AKTUELL „Bange Blicke zur Ukraine“ vom 27.01.2022.

Sanktionen bedeuten neue Belastungen

Energiepreise werden immer mehr zum Konjunkturproblem

Für Wirtschaft und Finanzmärkte ändern sich die Rahmenbedingungen derzeit erneut deutlich. Von den drei stark konjunkturbelastenden Faktoren – Corona-Pandemie, Lieferlogistik, Inflationsanstieg – stehen die Signale aktuell nur mit Blick auf die Pandemie auf Entspannung. Verschlechtert haben sich hingegen die Aussichten für die Lieferlogistik, da Teile der neuen chinesischen Seidenstraße (eurasische Kontinentalbrücke) über Russland nach Europa führen. China dürfte zwar auf rasche Warentransfers drängen, neue Verzögerungen sind aber aller Voraussicht nach noch einzukalkulieren. Auch der von hohen Energiepreisen ausgehende Inflationsdruck wird sich wohl noch verschärfen, und das unabhängig davon, ob es tatsächlich zu scharfen Sanktionen gegen russische Öl- und Gasexporte kommt. Diese machen rund 50 % der Gesamtexporte Russlands aus und würden die dortige Wirtschaft hart treffen. Sie erschwerten aber auch die westliche Energieversorgung nochmals, da Russland rund 40 % der europäischen Gasimporte (Deutschland ca. 55 %) sichert. So oder so: Aufgrund der zunehmenden Eskalationsschärfe sind wir für die nächsten Monate auf weiter steigende Inflationsraten eingestellt.

Konjunkturrisiken für den Euroraum höher als für die USA

Für uns liegt es auf der Hand, dass vom Ukraine-Krieg jetzt noch höhere Produktionskosten für Unternehmen und Kaufkraftverluste für private Haushalte ausgehen werden, als das derzeit schon der Fall ist. Davon betroffen wäre insbesondere Deutschland, wo die nach den Corona-Lockerungen von uns erwartete Frühjahrsbelebung nun wohl erheblich stärker belastet wird als bisher erwartet. Bei aktuellem Eskalationsgrad betragen die Abwärtsrisiken für unsere 2022er-BIP-Prognosen von 3,7 % für Deutschland und 4,1 % für den Euroraum daher bereits jetzt schon bis zu 0,5 Prozentpunkte. Für die USA werden die gesamtwirtschaftlichen Belastungen unseres Erachtens besser verkraftbar sein, da die direkten Handelsbeziehungen mit Russland hier weniger bedeutsam sind als für den Euroraum. Gleichwohl dürften auch die US-Finanzmärkte von zeitweise stärkeren Kursausschlägen nicht verschont bleiben.

Geldpolitik in der Zwickmühle

Ukraine-Konflikt zählt geldpolitische Normalisierungsbestrebungen an

Durch den Ukraine-Krieg werden führende Notenbanken voraussichtlich zunehmend in eine Zwickmühle geraten: Leitzinserhöhungen aufgrund deutlich gestiegener Inflationsraten würden die gestiegenen Abwärtsrisiken für die Konjunktur nämlich noch verstärken. Müssen die ins Auge gefassten geldpolitischen Ausstiegspläne deshalb eingemottet werden, zumindest vorübergehend? Diese Frage stellt sich aufgrund des engeren regionalen Ukraine-Bezugs vor allem für die EZB, die ihren geldpolitischen Kurs unseres Erachtens auf der kommenden Ratssitzung am 10. März eigentlich in Richtung weniger Expansion neu ausrichten möchte. Wir gehen davon aus, dass ohnehin nur sehr vorsichtige Ausstiegsschritte unternommen werden, ein Vorgehen, das sich durch die zugespitzte Ukraine-Lage jetzt eher erhärtet. Die Fluchttür zu Wertpapierkäufen dürfte von der EZB zudem offengehalten werden. Hingegen wird die US-Notenbank ihren Normalisierungskurs wohl nur dann stoppen, wenn eine anhaltende Destabilisierung von Konjunktur und Finanzmärkten droht. Solange das nicht der Fall ist, werden wir einen großen Zinsschritt im März weiter auf dem Schirm haben.

Volatile Nachrichtenlage dürfte Finanzmärkte in Atem halten ‒ in beide Richtungen

Aller Erfahrung nach werden erstklassige Staatsanleihen in unruhigen Zeiten als sichere Häfen nachgefragt. Vor allem ist dies bei US-Treasuries und USD der Fall, wenn sich eine Krise im europäischen Umfeld ereignet. Dementsprechend verbuchen Aktienmärkte oftmals Kursrückgänge, wenn die Risiken für den Ausblick auf die Konjunktur und Unternehmensgewinne zunehmen. Nach den anfänglichen, reflexartigen Rücksetzern auf den zugespitzten Konflikt reagierten die Finanzmärkte zunächst vergleichsweise verhalten, wohl auch, weil die Angst vor raschen und harten Sanktionen als gering erachtet wurde. Mit dem Eintritt in die kriegerische Auseinandersetzung heute ist die Verschärfung von Sanktionen unserer Einschätzung nach zwangsläufig. Das dürfte insbesondere die Aktienmärkte vorerst weiter belasten. Der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem SWIFT wäre hier eine neue Qualität, die das Risiko stärker einknickender Finanzmärkte noch erhöhen würde.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen besteht wenig Hoffnung auf baldige Entspannungssignale. Unsere Makro- und Finanzmarkt-Prognosen stehen daher auf dem Prüfstand.

Erkäuterungen

Begriff

Erklärung

BIP

Bruttoinlandsprodukt

EZB

Europäische Zentralbank

SWIFT

Society for Worldwide Interbank Financial
Telecommunication

USD

US-Dollar als Währung

Bruttoinlandsprodukt

Gesamtwert aller von einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum erstellten Waren und Dienstleistungen, soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und
Dienstleistungen verwendet werden

Geldpolitik

Sämtliche Maßnahmen einer Notenbank zur Erreichung ihrer Ziele

Inflation

Allgemeine und anhaltende Steigerung des Preisniveaus bei Gütern und Dienstleistungen

Inflationsrate

Veränderung der Verbraucherpreise, die in der Regel gegenüber dem Vormonat und dem Vorjahr
ermittelt wird

Leitzins

Zentrales Element, mit dem eine Notenbank ihre Geldpolitik steuert

Notenbank

Eigenständige Institution, die mit der Durchführung der Geldpolitik betraut ist. Bei unterschiedlichen staatlichen Abhängigkeitsgraden zielt ihr Wirken meist auf die Höhe eines bestimmten Beschäftigungsgrades und/oder auf die Wahrung einer festgelegten Preisniveaustabilität ab

Staatsanleihe/Staatstitel

Schuldverschreibungen des jeweiligen Staates mit unterschiedlichen Laufzeiten. Hierzu zählen
u. a. deutsche Bundesanleihen, britische Gilts, US-amerikanische Treasuries und Eurobonds

US-Treasuries

Vom US-Schatzamt begebene Schuldscheine mit unterschiedlichen Fälligkeiten. Allgemeine
Bezeichnung auch für US-amerikanische Staatsanleihen

Volatilität

Hier: preisliche Schwankungsbreite von Wertpapier- oder Devisenkursen

Quelle: Hauck Aufhäuser Lampe

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