Die laufende Berichtssaison bestätigt unsere Erwartung, dass die Gewinne in 2023 fallen werden. Die Analysten dürften ihre Prognosen in den kommenden Wochen nach unten revidieren. Auch wenn das Risiko eines schweren Konjunktureinbruchs abgenommen hat, befindet sich die Wirtschaft dennoch in einem Abschwung. Kursrückschläge an den globalen Aktienmärkten sind in solchen Konjunkturphasen erwartbar. Daher gewichten wir Aktien leicht unter.
In den USA nähert sich die Berichtssaison, in der die Unternehmen ihre Bilanzzahlen zum vierten Quartal des vergangenen Jahres vorstellen, ihrem Ende. Das Gewinnwachstum im S&P 500 ist das erste Mal seit der Covid-Rezession negativ (ca. -5% ggü. 4. Quartal 2021). Zudem liegen sowohl Umsatz als auch Gewinne nur leicht über den Erwartungen der Analysten: So übertreffen die tatsächlich berichteten Gewinne die erwarteten bisher nur um 1,1%, was deutlich unter dem 10-Jahresdurchschnitt für den „Überraschungsumfang“ von 6,4% liegt. Auf Sektorebene überraschten vor allem die Berichte der Versorgungsunternehmen positiv (86% der Unternehmen). Am anderen Ende der Skala konnten hingegen nur 48% der Konzerne im Sektor „Communication Services“ die Erwartungen überbieten (Datenquelle: Factset, Stand: 10. Februar).
Mauer Gewinn-Ausblick belastet Markt kaum
Die Berichte bestätigen die Erwartung, dass die Gewinnmargen fallen und die gesamte fundamentale Lage für die Unternehmen herausfordernder geworden ist. Auch im Ausblick überwiegen die Moll-Töne: Die Vorstände blicken – wie dies die fallenden Stimmungsindikatoren in den USA angedeutet hatten – skeptischer auf das Jahr 2023. Die Analysten folgen diesen Unternehmungsausblicken und revidieren ihre Schätzungen im Durchschnitt nach unten. Grundsätzlich ist ein Rückgang im ersten Monat des Jahres üblich. Jedoch ist der Revisionsumfang derzeit deutlich höher als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Nun rechnen die Analysten für 2023 mit einer Stagnation der US-Gewinne auf dem Niveau von 2022. Die Marktteilnehmer haben die Berichtssaison trotzdem gut verarbeitet. Die unmittelbare Kursreaktion auf negative Berichte war deutlich weniger stark ausgeprägt als im fünfjährigen Durchschnitt. Dies lag unseres Erachtens an zwei Faktoren:
1. Positiver Markttrend: Der Gesamtmarkt profitiert derzeit von der Hoffnung auf eine geringere Belastung durch Inflation und Zinserhöhungen. Bei im Trend steigenden Märkten ist auch die Reaktion auf negative Berichte weniger ausgeprägt.
2. Restrukturierung: Dem Markt gefiel, dass zahlreiche Unternehmen Kosteneinsparungsprogramme angekündigt haben. Gerade im Technologiesektor, in dem insbesondere die kurzfristigen Wachstumserwartungen der Firmen deutlich unter den bisherigen Annahmen der Analysten lagen, wurde viele Stellenstreichungen angekündigt. Die bescheideneren Langfristplanungen kamen am Markt gut an.
Kursreaktionen auf Gewinnüberraschungen
Revisionen durchschnittlich
Erwartetes Gewinnwachstum
Fazit: Es wird holpriger
Mit Blick auf die kommenden Wochen sind wir skeptisch, dass es weitere, deutlich positive Impulse für den europäischen Markt geben wird. Denn eine globale Rezession ist wohl bereits ausgepreist worden. Enttäuschungen sind somit angesichts der positiveren Grundstimmung einfacher möglich. So dürften sich die Hoffnungen auf eine stärkere Nachfrage aus China mit Blick auf die Industrie eher nicht erfüllen. Denn die Erholung in China dürfte in unseren Augen stark vom Konsum – insbesondere von Dienstleistungen wie Reisen – getrieben sein.
Zudem bleiben wir dabei, dass sich die Konjunktur abschwächen wird. Dafür sprechen die Frühindikatoren, die zunehmende bremsende Wirkung der Geldpolitik und auch die inversen Zinsstrukturkurven sowohl in den USA als auch in Deutschland. Unserer Meinung nach ignoriert der Markt derzeit, dass auch ein Abschwung ohne unmittelbare Rezession dafür spricht, dass risikoreichere Assetklassen schwächeln. Daher bleiben wir dabei, Anleihen gegenüber Aktien zu bevorzugen und halten zudem eine Liquiditätsposition.
Risiken
Die Konjunkturentwicklung ist weiterhin recht unsicher und ist stark davon abhängig, ob die Zentralbanken wegen der sich nur langsam abschwächenden Inflationsdynamik gegebenenfalls übersteuern. Dies würde Risikopapiere stark belasten. Des Weiteren könnte sich das chinesische Wachstum durch weitere fiskalpolitische Maßnahmen schneller beschleunigen, als derzeit unterstellt. Inflationseffekte aus China könnten das Inflationsbild jedoch noch komplexer machen.
Appendix
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Redaktionsschluss: 20. Januar 2023
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