BIP-Wachstum und Aktienperformance – ein Tandem?
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BIP-Wachstum und Aktienperformance – ein Tandem?

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29. März 2023

Lesezeit: 7 Minuten

Die  konjunkturelle Lage in den entwickelten Volkswirtschaften ist angespannt. Dagegen gibt es positive Wachstumsaussichten in ausgewählten Schwellenländern. Sollten Investoren vor diesem Hintergrund bei Aktien aus den Emerging Markets (EM) ein höheres Gewicht eingehen? Da die These einer positiven Korrelation zwischen gesamtwirtschaftlichem Wachstum und Aktienmarktrendite im Allgemeinen verneint werden kann, hängt die Antwort auf diese Frage zumindest nicht eindeutig vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) ab. Wir untersuchen die wesentlichen Zusammenhänge.

Ist das BIP-Wachstum positiv mit der Aktienmarktperformance eines Landes korreliert bzw. führt ein im Vergleich zu anderen Ländern höheres Wachstum zu einem besseren Abschneiden des jeweiligen lokalen Aktienmarktes? Insbesondere im Falle ausgewählter Schwellenländer, die ein höheres Wachstum aufweisen, fragen sich Anleger, ob sie diesen Ländern ein höheres Gewicht in ihren Aktienportfolien zuweisen sollten. Die Hoffnung besteht darin, dass diese höhere Gewichtung durch eine spätere höhere Rendite gerechtfertigt wird.

BIP-Wachstum wenig signifikant

Quelle: Bloomberg; x-Achse: BIP-Rate; y-Achse: Aktienrendite; Zeitraum der Betrachtung von 2007 bis 2022.

Im Falle von Brasilien, China, Indien, Korea und Taiwan ist, wie im Scatter-Plot dargestellt, kein eindeutig positiver Zusammenhang zwischen BIP-Wachstum und Aktienmarktrendite festzustellen. Lediglich bei Taiwan ist eine positive Korrelation auch statistisch signifikant. Einer einfachen Regression zur Folge würde ein BIP-Wachstum größer als 1,9% gegenüber dem Vorjahr für einen positiven Aktienertrag in derselben Periode sprechen.  

 

Von der Theorie...

Theoretisch sollten sich die Aktienkurse im Einklang mit der Wirtschaftstätigkeit entwickeln. Denn die Aktienkurse von Unternehmen entsprechen längerfristig den abgezinsten künftigen Ausschüttungen. Diese wiederum sind mit den wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen verbunden. Wenn die Dividendenausschüttung in etwa den Gewinnen der Unternehmen entspricht, sollten die Aktienmarktindizes Informationen über künftige Wirtschaftstätigkeit eines Landes enthalten.

Neben dieser „passiven“ Beziehung können die Entwicklungen an den Aktienmärkten auch „aktiv“ beeinflussen.2 Erstens sollte ein stärker entwickeltes Finanzsystem – oft gemessen an der Marktkapitalisierung der Aktienmärkte – die Wirtschaftstätigkeit unterstützen. Zweitens dürften höhere Aktienkurse eines Unternehmens den Zugang des Unternehmens zu Finanzmitteln erleichtern und die Investitionskosten senken.

 

... zur Empirie

Um einen langfristigen Zusammenhang zwischen BIP-Wachstum und Aktienmarktrendite zu identifizieren, hat beispielsweise Mathias Binswanger ein Vektor-Fehlerkorrekturmodell nach Johansen verwendet.3 Eine Beziehung ist demnach nur für wenige Länder festgestellt worden und zerbricht in den frühen 1980er Jahren vollständig (möglicherweise aufgrund von Blasenbildungen an Aktienmärkten). Die meisten Studien (darunter auch neuere wie Camilleri et al. (2019)4) kommen zu einem sehr ähnlichen Ergebnis, einige weisen sogar auf eine negative Korrelation zwischen BIP und Aktienmarkt hin.

 

Faktor 1: BIP-Konstruktion

Der erste Grund für die geringe Korrelation zwischen BIP-Wachstum und Aktienperformance ist unseres Erachtens die BIP-Zusammensetzung. So reagieren beispielsweise die im BIP enthaltenen Löhne erst verzögert auf den Konjunkturverlauf. Die Unternehmensgewinne, die auch im BIP enthalten sind, reagieren dagegen zügig. Dies bedeutet, dass das BIP als Ganzes behäbiger ist als die Aktienmärkte, siehe Grafik unten.

Gewinne als wesentliche Treiber

Quelle: Bloomberg, Weltbank, Welt-BIP: nominales BIP, Index jeweils 1. Quartal 1997=100

Faktor 2: Europa-Heterogenität

Der zweite Grund ist eine länderspezifische Branchenzusammensetzung am jeweiligen Aktienmarkt. So sind beispielsweise viele Einzelhändler vielerorts nicht an der Börse gelistet. In Deutschland sind Dienstleister auf dem Parkett Mangelware. Letztlich lässt sich die DAX-Schätzung mit dem globalen BIP besser bewerkstelligen, als mit der gemessenen Wertschöpfung hierzulande. Bei vielen EMs ist zu beachten, dass der jeweilige Leitindex zum Teil stark von einem oder wenigen Sektoren beeinflusst wird. So dominieren Rohstoffe den Markt in Brasilien, während in Indien Banken und IT die höchsten Gewichte aufweisen.

 

Faktor 3: Bewertung

Der dritte Grund für die geringe Korrelation zwischen BIP-Wachstum und Aktienperformance ist die Veränderung der Bewertungen am Aktienmarkt. So haben die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) für die Kursverläufe bei Aktien und damit für die Aktienrendite eine hohe Bedeutung. Das Bewertungsverhältnisse haben sich in den vergangenen zehn Jahren in den meisten Ländern ausgeweitet und befinden sich bei einigen Indizes nahe ihrer Allzeithochs. In Japan erreichten die Aktien beispielsweise Ende der Achtzigerjahre den Hochpunkt der Bewertungsblase. Die Anleger glaubten an die Technologieführerschaft der japanischen Industrie und waren daher bereit, ein Vielfaches der aktuellen Gewinne für die Aktie eines Unternehmens zu bezahlen. In den Neunzigerjahren gingen die Bewertungen jedoch deutlich zurück, nachdem sich die Wachstumshoffnungen als utopisch herauskristallisiert hatten. Die Aktienmarktperformance in Japan schnitt dann schlechter als das BIP-Wachstum ab.

 

Was treibt die Aktienmarktrendite dann?

Während zwischen Aktienrenditen und tatsächlichem BIP-Wachstum keine konsistente langfristige positive Korrelation bestehen mag, ist zwischen Aktienrenditen und erwartetem BIP-Wachstum eine signifikante Beziehung zu beobachten.2 Dies ist nicht überraschend, da die Aktienkurse die Erwartungen bezüglich zukünftiger Erträge und Zinsen reflektieren, und damit auch mit dem BIP-Wachstum verbunden sind.

 

Gewinnwachstum als eindeutiger Treiber

Eine Studie von Schroders3 mit Daten aus 15 Schwellenländern und 21 entwickelten Aktienmärkten zeigt, dass nicht der allgemeine Anstieg der Wirtschaftsleistung, sondern das Wachstum des Gewinns pro Aktie (EPS) und der Dividende pro Aktie (DPS) börsennotierter Unternehmen die unterschiedliche Performance der einzelnen Märkte erklärt. Die Autoren bestätigen, dass das Wachstum von EPS und DPS im Gegensatz zu Veränderungen des BIP eine starke positive Korrelation mit den Aktienrenditen auf Länderebene aufweist, was den Anlegern in Schwellenländern ein effektiveres Instrument für ihre Allokationsentscheidungen bietet. Überraschenderweise stellen sie auch fest, dass die meisten Schwellenländer trotz ihrer hohen BIP-Wachstumsrate niedrige EPS- und DPS-Wachstumsraten aufweisen. Dies suggeriert, dass börsennotierte Unternehmen nicht repräsentativ für die zugrunde liegende Volkswirtschaft sind.

 

Schwierigkeiten einer regionalen Allokation

Als Anleger scheint es unterm Strich ratsam, sich darauf zu besinnen, dass Aktien eine Investition in Unternehmen sind und nicht in eine Volkswirtschaft. So war es in 2022 beispielsweise eine falsche Entscheidung internationaler Investoren, pauschal Geld aus europäischen Aktien abzuziehen. Insbesondere die Aktienindizes im Euroraum wurden nach Kriegsbeginn mit einem Abschlag für ein höheres Länderrisiko belegt. Aber die europäischen Unternehmen, die global produzieren, litten kaum unter den steigenden Energiekosten und profitieren zudem rechnerisch vom schwachen Euro.

Bei einer Anlage in einen regionalen Aktienindex ist es zudem wichtig zu wissen, welche sektorale Gewichtung ein Index hat, denn diese ist ein signifikanter Treiber vieler Märkte. So ist beispielsweise der brasilianischer Leitindex – der Bovespa-Index – stark abhängig von Rohstoffaktien.

Mit Blick auf die Schwellenländer kann es durchaus zu gerechtfertigten Länderrisikoabschlägen kommen. Sind die Eigentumsrechte nicht eindeutig rechtlich geschützt, sind Enteignungen von Firmenbesitz einfacher möglich. Des Weiteren hängt die Einschätzung eines Unternehmens stark von zuverlässigen Bilanzzahlen ab. Sollten Wirtschaftsprüfer nicht unabhängig arbeiten können, sind auch die EPS-Schätzungen weniger belastbar. Insofern macht es aus unserer Sicht bei manchen Investitionsthemen Sinn, diese mit Hilfe von europäischen oder nordamerikanischen Unternehmen abzubilden, die stark in den aufstrebenden Volkswirtschaften vertreten sind.

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Redaktionsschluss: 20. Januar 2023