„Die klassischen Werte haben unverändert Bestand“
Die Geldanlage befindet sich im Wandel. Kerstin Jungmann zu den Entwicklungen auf dem Markt.
Die Geldanlage befindet sich im Wandel. Das gilt auch für die Vermögensverwaltung: Digitale Angebote erfüllen den Wunsch vieler Kunden nach einfachen Anlageprozessen und haben sich einen breiteren Kundenstamm erschlossen. Kerstin Jungmann, verantwortlich für die digitale Anlageplattform Zeedin von Hauck Aufhäuser Lampe, im Gespräch mit dem Fachmagazin Das Investment über die Möglichkeiten neuer Technologien und die Bedeutung alter Werte gerade in turbulenten Zeiten. Und über den „Faktor Mensch“.
Frau Jungmann, Turbulenzen prägen das Bild an den Börsen. Und das schon seit Monaten. Wie haben Ihre Kunden darauf reagiert?
Kerstin Jungmann: Viele Anlegerinnen und Anleger sind momentan sehr angespannt. Das ist absolut verständlich, vor allem wenn man bedenkt, dass dies die erste Krise ist, die sie im eigenen Portfolio erleben. Schließlich liegt die Finanzkrise bereits 15 Jahre zurück. Damit ist generell das Bedürfnis der Anleger nach einem durchgehenden Dialog gestiegen: Viele wollen ein besseres Gespür für die Situation bekommen und wünschen eine professionelle Sicht. Bei Neukunden ist es ähnlich: Sie suchen den persönlichen Kontakt – und sei es nur, um sicherzugehen, ob bei der Depoteröffnung auch alles geklappt hat. Das alles bestätigt letztlich einen Trend, den wir schon früh ausgemacht haben.
Welchen Trend meinen Sie?
Jungmann: So simpel es klingt: der Wunsch nach Austausch. Geldanlage ist heute im Grunde einfacher denn je. Anleger benötigen nur wenige Klicks, damit ein Algorithmus ein Profil erstellt und eine passende Anlagestrategie vorschlägt. Die neue Generation der Vermögenden wünscht digitale Zugänge, einfache Prozesse und eine Reduzierung von Komplexität. Doch danach ist Substanz gefragt: Selbst junge Anleger verzichten nicht auf den persönlichen Kontakt. Ganz im Gegenteil, sie wollen Orientierungshilfen und den Zugang zu Experten, mit denen sie sich austauschen und denen sie Fragen stellen können. Damit bleibt festzuhalten: Die „klassischen Werte“ der Vermögensverwaltung haben trotz aller digitalen Möglichkeiten unverändert Bestand. Nämlich die persönliche Begleitung und die kompetente Beratung.
Heißt das, digitale Angebote entwickeln sich wieder zurück?
Jungmann: Sie entwickeln sich weiter. Wir sprechen dabei von einem hybriden Modell, das den digitalen Ansatz mit dem Faktor Mensch zusammenbringt. Kaum ein zeitgemäßes Angebot kommt noch ohne digitalen Zugang aus. Die Nutzer sind aber interessierte Menschen, die jederzeit Transparenz über die Entwicklung ihres Portfolios wünschen, die aktuelle Megatrends kennen und die zu Bereichen wie ESG oder thematischen Investments auf dem Laufenden bleiben wollen. Und dazu benötigen sie einen kompetenten Kontakt für ihre Fragen oder einen Sparringspartner, mit dem sie sich über Finanzthemen austauschen können. Das erkennen auch zunehmend viele Robo-Advisors, die ihre Teams nun aus- und aufbauen. Bei einem hybriden Modell ist das menschliche Gegenüber von Anfang an fester Bestandteil.
Lässt sich denn solch eine starke Personalisierung nur im persönlichen Kontakt abbilden? Oder welche Vorteile bringt die Verbindung mit einem digitalen Kanal?
Jungmann: „One size fits all“ gilt nicht mehr. Sprich: Die digitale Vermögensverwaltung mit dem standardisierten ETF-Portfolio. Heute ist es möglich, Anleger ein „hyperpersonalisiertes“ Angebot zu machen, mit individuell interessanten Produkten, Services und Inhalten. Anleger interessieren sich heute neben der reinen Vermögensverwaltung auch für weitere Produkte wie alternative Investments, also Private Equity oder Immobilienfonds, und thematische Investments wie ESG oder Health.
Auch Vorsorgethemen spielen eine Rolle. Zudem gibt es Lösungen, die auf die alltäglichen Bedürfnisse vieler Anleger einzahlen, wie etwa Zweitkonten oder Minderjährigenkonten. Der interessante Punkt dabei: Digitale Anbieter haben die Vermögensverwaltung, die bislang nur sehr vermögenden Kunden offenstand, für einen breiteren Kundenstamm zugänglich gemacht. Wieso sollte das nicht auch für Private Equity oder weitere Anlageformen möglich sein?
Noch einmal zurück zum persönlichen Austausch: Was raten Sie Anlegern denn, wenn sie Fragen haben oder sich austauschen wollen?
Jungmann: Wir decken ein sehr großes Kundenspektrum ab. Entsprechend vielfältig sind auch die Themen. Das reicht von der allgemeinen Frage, ob das eigene Portfolio richtig aufgestellt ist, bis zu Erwartungen, ob niedrige Kurse zum Nachkaufen genutzt werden sollen und ob die Talsohle an den Börsen endlich durchschritten ist. Letztlich geht es auch darum, Börsenwissen zu vermitteln. Erfahrene Anleger wissen, dass es angesichts der hohen Inflation kaum Alternativen zur Aktie gibt. Und dass sich eine langfristige Geldanlage bislang immer bewährt hat. Deshalb gilt trotz aller Turbulenzen die alte Weisheit: Ruhe bewahren und Gewinner finden.
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