Digitale Kunst: Die steuerlichen und rechtlichen Fallstricke
Karen Krämer, Vorstand der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung, im Interview mit Rechtsanwalt Stefan Winheller
Die schöne Welt der Kunst trifft oftmals auf die harte Realität von Rechtsprechung und Steuergesetzgebung. Das ist in der Regel kein Problem, wenn alle Akteure im Kunstmarkt die Spielregeln kennen. Digitale Kunst wie NFTs ist zwar noch eine recht junge Strömung – doch auch sie unterliegt den allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen. Karen Krämer, Vorständin der Hauck & Aufhäuser Kulturstiftung, sprach zu den wichtigsten Fragestellungen für Stiftungen und Non-Profit-Organisationen mit Stefan Winheller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht.
Karen Krämer: Herr Winheller, was ist der Unterschied zwischen Kryptowährungen und NFTs?
Stefan Winheller: Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether sind digitale Währungen, die auf Kryptographie basieren. Sie sind fungibel, das bedeutet, dass etwa ein Bitcoin stets denselben Wert wie ein anderer Bitcoin hat. Dem Nutzer ist es daher gleichgültig, welchen Bitcoin er besitzt. Das ist vergleichbar mit einem Geldschein oder einer Geldmünze.
NFTs (Non-Fungible Tokens) hingegen sind einzigartige digitale Vermögenswerte, die – wie Kryptowährungen auch – auf einer Blockchain verifiziert sind. Aufgrund ihrer Einzigartigkeit ist kein NFT identisch mit einem anderen, was sie zu nicht fungiblen Vermögenswerten macht, ähnlich einem physischen Kunstwerk. Dem Nutzer ist es daher in der Regel nicht gleichgültig, welchen NFT er besitzt.
Karen Krämer: Können Sie Beispiele für NFTs nennen?
NFTs können alles von digitaler Kunst über Musik bis hin zu Videospielgegenständen repräsentieren. Bekannte NFT-Kollektionen sind z.B. die Cryptopunks, der Bored Ape Yacht Club oder die Meebits. Bekannte NFT-Künstler, die mit ihren Werken bereits Verkaufserlöse in Millionenhöhe erzielt haben, sind z.B. XCopy, der Erschaffer des NFTs „Right-click and Save As Guy“, und Snowfro, der die bekannten Chromie Squiggles geschaffen hat.
Karen Krämer: Erlangt man durch den Erwerb eines NFTs, auf dem ein bestimmtes Werk abgebildet wird, Eigentum auch an einem etwaig bestehenden physischen Original?
Beim Erwerb eines NFTs erwirbt man, wenn nichts anderes vereinbart ist, grundsätzlich nur das Eigentum an dem jeweiligen NFT selbst, nicht auch an dem möglicherweise zugehörigen analogen Werk. Die Kritiker von NFTs sehen genau darin den Nachteil von NFTs: Ein NFT sei nichts zum Anfassen, sondern nur ein digitales Bildchen.
Diese Kritik greift aber zu kurz. Die Welt wird zunehmend digitaler. Alle Welt arbeitet mittlerweile in der Cloud, wir sprechen über digitale Währungen, das Bargeld wird mehr und mehr verdrängt, wir schreiben oft auf Notepads und nicht mehr auf Papier, die Zeitung kommt als digitale Ausgabe. Von daher ist es naheliegend, dass auch Kunst digital wird. Und das bedeutet nicht, dass sie nur von Computernerds am Bildschirm angeschaut wird. Mit speziellen NFT-Bilderrahmen kommen die Kunstwerke zunehmend auch in den Wohnzimmern an. Und in Museen allemal.
Welche exakten Rechte der Käufer eines NFTs mit seinem Kauf erwirbt, hängt vom jeweiligen Vertrag und den Lizenzbedingungen ab. Vom einfachen Nutzungsrecht bis hin zum Recht, das Werk zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben oder gar für gewerbliche Zwecke verwenden zu dürfen, ist vieles vorstellbar. Auch insoweit sind NFTs sehr individuell.
Karen Krämer: Was kann der Urheber tun, wenn von seinem NFT Fälschungen angefertigt werden?
Wo wertvolle Kunst ist, sind Fälschungen nicht weit – das ist auch in der digitalen Kunst so. Tatsächlich gibt es bei NFTs auch viele Nachahmer, die Kollektionen auf den Markt bringen, die den Originalen ähnlich sehen oder die ähnlich heißen. Unbedarfte Käufer lassen sich so in die Irre führen und erwerben wertlose NFTs oder gar NFTs, die in der Wallet des Käufers weiteren Schaden anrichten und z. B. die anderen NFTs des Sammlers aus der Wallet „abziehen“.
Im Umlauf befindliche Fälschungen werden aber von der NFT-Community meist sehr schnell erkannt. Die Information dazu ist dann im Umlauf und die Fälschung im Markt „verbrannt“. Der Urheber, der nach den Regelungen des Urhebergesetzes das ausschließliche Recht hat, über die Verwendung seines Werkes zu entscheiden, kann dann wie ein analoger Künstler zivilrechtliche Maßnahmen ergreifen und den Fälscher auf Unterlassung in Anspruch nehmen oder z. B. auch Schadenersatz verlangen, sofern er die Identität des Fälschers kennt.
Karen Krämer: Welche Steuern fallen beim Minten von NFTs an. Was muss man beachten, wenn man NFTs kaufe und mit Gewinn oder Verlust verkaufe?
Der Künstler, der seine NFTs erstmals auf den Markt bringt und verkauft (sog. Minting), kann z.B. Einkünfte als Künstler aus selbständiger Tätigkeit oder auch gewerbliche Einkünfte erzielen. Die Frage, welche Art von Einkünften vorliegt, hängt letztlich vom Einzelfall ab.
Wer als privater Sammler NFTs kauft und verkauft, wird regelmäßig mit § 23 des Einkommensteuergesetzes, kurz: EStG, in Berührung kommen. Danach sind Verkäufe innerhalb eines Jahres, der sog. Spekulationsfrist, steuerpflichtig. Gewinne müssen also mit dem gewöhnlichen Einkommensteuersatz versteuert werden. Jedenfalls dann, wenn die Gewinne im Jahr 600 Euro oder höher sind. Verluste können wiederum „gegengerechnet“ und auch in die Zukunft vorgetragen werden.
Verkäufe nach Ablauf der Spekulationsfrist sind umgekehrt steuerlich irrelevant, Gewinne sind also vollständig steuerfrei. Das ist im internationalen Vergleich ein großer steuerlicher Vorteil für Krypto- und NFT-Anleger in Deutschland. Verluste, die nach einer Haltedauer von mehr als einem Jahr anfallen, sind wiederum steuerlich auch nicht abziehbar. Das betrifft leider viele Privatanleger, die in der NFT-Hochphase 2021 NFTs zu teuren Preisen gekauft haben und aktuell auf hohen Verlusten sitzen, die sie steuerlich nicht mehr nutzen können.
Karen Krämer: Was muss eine gemeinnützige Organisation steuerlich beachten, wenn sie NFTs oder Kryptowährungen geschenkt bekommt bzw. erbt?
Für gemeinnützige Organisationen sieht § 13 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, kurz: ErbStG, Steuerbefreiungen für erhaltene Erbschaften und Schenkungen vor. Auch die spätere Veräußerung der Kryptos, um mit dem Veräußerungserlös die gemeinnützigen Zwecke zu finanzieren, ist in aller Regel steuerfrei. Das liegt daran, dass die Non-Profit-Organisation die Kryptowährungen meist in ihrer steuerfreien Vermögensverwaltung halten wird.
Das ist aber nur ein Aspekt von vielen. Gemeinnützige Organisationen, die Kryptowährungen oder NFTs als Spenden akzeptieren wollen, sollten sich vor allem im Klaren darüber sein, dass diese Vermögenswerte in der Buchhaltung einer NPO besondere Herausforderungen nach sich ziehen. Das liegt vor allem daran, dass eine Kryptobuchhaltung maßgeblich dadurch geprägt ist, dass der Anschaffung und Veräußerung stets Tauschvorgänge zugrundeliegen. Bei Geldspenden ist das völlig anders.
Um eine Spendenhaftung zu vermeiden, ist auch beim Ausstellen der Spendenbescheinigungen Vorsicht geboten. Speziell dann, wenn Kryptowährungen aus dem Privatvermögen gespendet werden und der Spender sie vor seiner Spende kürzer als ein Jahr gehalten hat, kann die Ermittlung des Wertes, der in der Spendenbescheinigung eingetragen werden muss, schwierig werden. Es ist dann nämlich regelmäßig der Wert zu bescheinigen, den der Spender beim Kauf der Kryptowährungen aufgewendet hat, nicht der Marktpreis zum Zeitpunkt der Spende.
Karen Krämer: Das ist die Steuerseite. Wie sieht es mit den rechtlichen Rahmenbedingungen aus?
Aber nicht nur steuerliche Herausforderungen sind zu bewältigen. Denn wo steuerliche Themen relevant sind, sind rechtliche nicht fern: Die Annahme von Kryptowährungen oder NFTs muss in jeder Hinsicht compliant sein. Wenn die NPO zwar Spenden erhält, sich aber später herausstellen sollte, dass die erhaltenen Kryptowährungen oder NFTs aus illegalen Geschäften stammen, ist schlechte Presse vorprogrammiert. Und auch die Administration bereitet häufig Schwierigkeiten: Denn die wenigsten NPOs sind darauf vorbereitet, NFTs und Kryptowährungen zu erhalten und zu verwalten. Sie wissen meist nicht, was genau sie damit anstellen sollen.
Für die eine oder andere gemeinnützige Organisation kann es daher ratsam sein, nicht selbst Kryptowährungen zu akzeptieren, sondern sich lieber eines Dienstleisters zu bedienen, an den die Spender zwar in Krypto bezahlen können, der aber umgehend eine Umrechnung in Euro vornimmt, so dass bei der NPO von Beginn an nur Euro ankommen. Dass die gemeinnützige Organisation den Dienstleister sorgfältig auswählen muss und prüfen sollte, ob er seriös ist und auch die ggf. nötigen bankaufsichtsrechtlichen Lizenzen hat, versteht sich von selbst. Noch immer tummeln sich im Krypto- und NFT-Markt viele Startup-Unternehmen, die in Compliancefragen erheblichen Nachholbedarf haben.
Und was gilt beim Verkauf von NFTs während eines Charity-Events?
Gemeinnützige Organisationen nutzen NFTs gelegentlich für Fundraisingzwecke und veranstalten eigene Charity-Events. Sie stellen also selbst NFTs her und verkaufen sie sodann an Interessenten. Die eingenommenen Mittel verwenden sie dann für ihre gemeinnützigen Zwecke. Bei derlei NFT-Verkäufen für die gute Sache ist Vorsicht geboten. Es gibt leider diverse Negativbeispiele, die belegen, wie man es nicht machen sollte. Die Stolpersteine sind vielfältig.
Das beginnt im Steuerrecht: Mit einem solchen Verkauf begründet die NPO üblicherweise einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Das führt dazu, dass die Veräußerungsgewinne körperschafts- und gewerbesteuerpflichtig sind. Hinzu kommt die Umsatzsteuer. Spendenbescheinigungen dürfen in diesen Fällen auf keinen Fall ausgestellt werden, weil der „Spender“ für seine Zahlung eine Gegenleistung, das NFT, erhält. Er ist damit Käufer und kein Spender im rechtlichen Sinn.
Rechtlich sollte die gemeinnützige Organisation darauf achten, dass sie ihren Verkauf durch einwandfreie AGB absichert, um nicht z. B. ungünstigen Widerrufsrechten der Käufer ausgesetzt zu sein.
Karen Krämer: Wie sieht Ihr Fazit zu NFTs aus?
Ich persönlich glaube an Kryptowährungen und NFTs und denke, dass gute Kryptoprojekte genauso wie gute NFT-Projekte ihre Existenzberechtigung haben. Es ist auch gut, dass derzeit die Kurse im Keller sind. Das hat zu einer enormen Marktbereinigung geführt. Es ist ähnlich wie damals zu Neue-Markt-Zeiten, als alle Welt kurzzeitig dachte, allein Visionen und Ideen rechtfertigen eine Milliardenbewertung eines Unternehmens. Das war schon damals Unfug und das ist es auch heute. Die Marktbereinigung ist daher gesund.
Und so wie sich gute Krypto- und NFT-Projekte langfristig durchsetzen werden, sollten sich auch gemeinnützige Organisationen im Rahmen ihrer digitalen Strategie mit ihnen vertraut machen. Ich halte es für sinnvoll, dass die Geschäftsleitung die Marschroute vorgibt. Die Fundraisingabteilungen sind dann gefordert, sich entsprechend fortzubilden, um im Fall der Fälle handlungsfähig zu sein und ihr Fundraising gezielt auf die interessante Zielgruppe der NFT-Community und der Krypto-Szene ausrichten zu können. Sie „tickt“ nämlich völlig anders als gewöhnliche Spender. Entsprechend gut vorbereitet können gemeinnützige Organisationen dann geschickt NFTs und Kryptowährungen im Interesse der guten Sache nutzen.
Karen Krämer: Vielen Dank für das Interview, Herr Winheller.
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