"Wie bist Du zum NFT-Sammler geworden?"
Karen Krämer, Vorstand der Hauck Aufhäuser Kulturstiftung, im Interview mit Frank Neidig
Karen Krämer: Wie bist Du zum NFT-Sammler geworden?
Frank Neidig: Ich denke ich besitze, wie viele andere Menschen auch, ein besonderes „Sammler-Gen“. Als Kind habe ich bereits Panini-Bilder von Fußballern oder von Star Wars gesammelt. Später habe ich begonnen, limitierte Schallplatten von meinen Lieblingsmusikern und -bands zu sammeln. Die „Cover-Art“ hat mich dann zur traditionellen Malerei und insbesondere zu Street- und Urban Art geführt. Diese Kunstbewegung hat in den letzten zehn Jahren, insbesondere durch Social Media und durch Künstler wie Banksy und KAWS, einen unglaublichen Hype erlebt. Ich glaube jedoch, dass nun der Höhepunkt dort erreicht ist. Die Digitalisierung unseres Lebens schreitet auf allen Ebenen voran! Deshalb wird sich auch die Entwicklung digitaler Kunst unweigerlich weiter fortsetzen und einen immer größeren Stellenwert im Kunstzirkus einnehmen. Ich denke diese Erkenntnis hat mich vor gut 2 Jahren zu NFTs gebracht. Ich muss jedoch dazusagen, dass ich bereits 2012 meinen ersten Bitcoin und daher auch entsprechendes Blockchain-Knowhow besaß. Außerdem hatte ich keinen Platz mehr an den Wänden für echte Bilder... (lacht).
Karen Krämer: Kannst Du in wenigen Worten erklären, was ein NFT ist?
Man kann sich NFTs (Non-Fungible-Token) als digitale Nachweise für Eigentumsrechte vorstellen. Sie befinden sich auf einer Blockchain wie z.B. Bitcoin oder Ethereum und sind daher nicht zentral, sondern dezentral organisiert. Jedoch haben sie im Gegensatz zu Kryptowährungen individuelle Daten, die sie einzigartig und unteilbar machen, also nicht austauschbar (= non-fungible). Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum sind in der realen Welt vergleichbar mit austauschbaren Vermögenswerten wie Aktien, Anleihen oder Bargeld. NFTs hingegen sind aufgrund ihrer Einzigartigkeit eher mit Vermögenswerten wie Immobilien, Schmuck oder Kunst verwandt. Digitale Künstler waren die ersten, die die Möglichkeiten des neuen Mediums erkannten, damit experimentierten und ihre Werke auf der Blockchain verewigt haben. NFTs werden weltweit gehandelt, sind wie klassische Kunst noch weitestgehend unreguliert und haben bereits Einzug in Sammlungen großer Museum wie das Moma in New York oder das Centre Pompidou in Paris gehalten.
Karen Krämer: Wenn man einen NFT erwirbt, wo ist das Kunstwerk am Ende?
Das Besondere an einer (guten) Blockchain ist, dass sie niemandem gehört und eine dezentral organisierte Technologie darstellt. Das digitale Kunstwerk kann in Abhängigkeit von der Dateigröße entweder direkt auf der Blockchain oder in einem anderen - am besten dezentralen - Dateisystem gespeichert werden, auf das der NFT dann verweist. Jeder kann das Kunstwerk zu jeder Zeit im Internet sehen, aber nur der Eigentümer hat den Schlüssel, um es zu bewegen, zu verkaufen oder sogar zu zerstören. Mir gefällt dabei der Gedanke der Demokratisierung von Kunst besonders gut. Ähnlich wie bei einem Museum sorgt die NFT-Technologie im Prinzip dafür, dass die Kunst immer für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt, und nicht, wie so oft bei klassischer Kunst, in private Sammlungen verschwindet. Alleine das ist aus meiner Sicht schon eine Revolution. Mit NFTs erhält der Begriff „Eigentum“ zudem eine neue Bedeutung, er wird erweitert um die Möglichkeit auch virtuelle Güter besitzen zu können. Joseph Beuys würde es vermutlich den „erweiterten Eigentumsbegriff“ nennen. (lacht)
Karen Krämer: Wo ist der Unterschied z.B. zu einem Film, den ich bei einem Streamingdienst wie Amazon „kaufen“ kann und der letztendlich auch digital geliefert wird?
Den Vergleich mag ich besonders, weil er die Unterschiede von vermeintlichem „Eigentum“ aufdeckt. Werde ich wirklich Eigentümer eines Films, wenn ich bei Amazon Prime einen Film „kaufe“? Natürlich nicht, denn zum einen habe ich keine Möglichkeit den Film weiterzuverkaufen und zum anderen ist mein „Eigentum“ vermutlich verloren, falls Amazon irgendwann nicht mehr existieren sollte. Beim NFT ist das anders: Der Creator erstellt und transferiert mir den NFT als universelles, digitales Eigentumsrecht. Den NFT kann ich dann jederzeit über verschiedene Handelsplattformen, wie z.B. Opensea, handeln. Und selbst wenn der Creator nicht mehr existieren sollte, bleibt der NFT unverändert bestehen.
Karen Krämer: Was sagst Du einem klassischen Kunstsammler, der nichts von digitaler Kunst oder NFTs hält?
Ich stelle oft eine Gegenfrage: Ist es gerechtfertigt, dass digitale Künstler, die keine physischen Instrumente wie Pinsel verwenden, einen geringeren Wert haben sollten? NFTs sind ja selbst keine Kunstwerke, sondern nur ein neues Medium für digitale Kunst, so wie z.B. Leinwand, Papier und Bronze Medien für traditionelle Kunst sind. Sie bieten Künstlern erstmals die Möglichkeit, ihre digitalen Arbeiten mit einem digitalen Echtheitszertifikat zu koppeln und somit tatsächlich zu begrenzen. Die Knappheit eines Gutes ist immer die Grundlage für Wertsteigerungen und macht NFTs für Sammler attraktiv. Außerdem gibt es mittlerweile viele Marktplätze auf denen NFTs gehandelt werden, d.h. die Liquidität ist höher als bei herkömmlichen Medien. Der logistische Aufwand ist geringer und Kosten für die Pflege entfallen komplett. Darüber hinaus glaube ich, dass digitale Kunst in Form von NFTs den Zeitgeist unserer Gesellschaft am besten widerspiegelt und somit auch kunsthistorisch eine wesentliche Rolle spielen wird. Aber ich möchte niemanden zur digitalen Kunst „bekehren“, jedes Medium hat für mich seinen Reiz. Daher muss letztendlich jeder seinen eigenen Weg zur Kunst finden.
Karen Krämer: Vielen Dank für das Interview, Frank.
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